Mit 10 habe ich meine erste Geschichte geschrieben: als Geschenk an meine Volksschule und als ein Appell, das scheinbar Nutzlose besonders zu achten. Bei der Matura habe ich dann die Übersetzung aus dem Lateinischen freiwillig in Prosa und gebundener Sprache geschrieben. Ich hab’s einfach mit der Freiwilligkeit und der Opulenz im Umgang mit Ideen und Texten.

Dieser Haltung bin ich mein ganzes Leben lang treu geblieben. Ich nähere mich jedem Text mit „freiem Willen“ und gebe der Abschweifung Raum. Man muss beim Schreiben aus dem Vollen schöpfen, und ich halte mich damit an Montagne: „Nur wer abschweift, kann mit einem Geistesblitz rechnen.“ Das Überflüssige ist eine sehr notwendige Sache. Wer rasch auf den Punkt kommen will, versäumt (nicht nur beim Sex) das Beste.

Das klingt zwar nicht sehr „effizient“, ist aber eine höchst effektive Abkürzung zum Wesentlichen. Das Warum kennen wir aus dem Design Thinking ebenso wie aus den klassischen Kreativitätstechniken: Nur wer „unterwegs“ die Angst vor dem festlegenden Fokus vergisst, kann mit etwas wirklich Neuem rechnen. Beim Spazierenführen der Gedanken dringen nämlich Worte und Ideen wie von selbst durch die Zellwände unseres durchlässigen Geistes. Man muss dann nur noch für ein Auffangbecken sorgen: Papier und Bleistift genügen.

Wer seine geistigen Milchkühe auf die grüne Weide der Fantasie führt, sollte allerdings alle Messenger der Welt in der Sennhütte zurücklassen. Belohnung winkt: Wer das wiederholt tut, wird künftighin die Enge eines geistigen Hühnerhofes zu meiden wissen wie der Teufel den Weihbrunn. Ganz freiwillig.

Bleiben Sie am Wort.
Ihr Harry Jeschke